Gastbeitrag von Jean-Philippe Hagmann: Kaum etwas fällt Unternehmen schwerer, als Innovationen erfolgreich auf den Markt zu bringen. Oft sollen dann in Teamarbeit kreative Ideen entwickelt werden, die aber schnell zur Innovationsfalle werden – ein exklusiver Auszug aus Jean-Philippe Hagmanns bahnbrechendem neuen Buch.
Teamwork wird heute fast überall grossgeschrieben. Es klingt auch naheliegend, dass mehrere Personen mehr leisten können als ein einzelner Mensch. Häufig hört man den Ausspruch, dass man gemeinsam mehr ist als die Summe seiner Teile. Kollaboration erfreut sich deshalb nicht zuletzt auch im Bereich der Innovation grosser Beliebtheit.
Gruppenentscheidungen sind öfters schlecht
Silos sollen aufgebrochen werden, bereichsübergreifend soll gearbeitet werden, grosse Unternehmen sollen sich mit kleinen Startups zusammenschliessen und so weiter. Worüber allerdings selten gesprochen wird, ist die Tatsache, dass nicht alles in Gruppenarbeiten besser funktioniert als alleine. Müssen Gruppen Entscheidungen treffen, so fällt das Ergebnis nicht selten schlechter aus, als wenn eine einzelne Person oder alle unabhängig voneinander diese Entscheidung gefällt hätten. Grund dafür ist unter anderem der „Happy Talk“.
Happy Talk als Gefahr
Unter Happy Talk versteht man den Umstand, dass eine Gruppe bei der Entscheidungsfindung für eine präferierte Lösung nur positive Argumente findet, sodass alle Gruppenmitglieder am Schluss felsenfest davon überzeugt sind, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Und dies zumeist, ohne die Alternativen zu betrachten. Happy Talk geschieht häufig in Gruppen, in denen eine Person eine anerkannte Autoritätsposition innehat. Allerdings kommt Happy Talk auch in hierarchieflachen Teams vor.
Die zwei Haupttreiber für Happy Talk
Die zwei Haupttreiber für den Happy Talk sind die Unsicherheit gegenüber eigenen Informationen und die soziale Hemmung. Häufig spielen in Gruppenentscheidungen beide Treiber eine Rolle.
Den ersten Treiber – die Unsicherheit gegenüber eigenen Informationen – kann man vereinfacht so erklären: Obwohl eine Person über Informationen verfügt, die eine zuvor in der Gruppe geäusserte Meinung relativieren oder gar widerlegen könnten, entscheidet sich diese Person dagegen, diese mit der Gruppe zu teilen. Warum? Weil sie nicht sicher ist, ob die eigenen Informationen richtig oder wichtig sind, und die bereits von anderen Gruppenmitglieder geäusserten Informationen scheinbar überzeugend sind.
Der zweite Treiber – die soziale Hemmung – ist weit heimtückischer. Denn es liegt in unseren Genen, danach zu streben, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen. Aus diesem Grund bevorzugen wir Verhaltensweisen, die eine Gruppenzugehörigkeit unterstreichen, und vermeiden wenn möglich Handlungen und Äusserungen, die diese Zugehörigkeit gefährden. Auf der anderen Seite belohnen Gruppen für gewöhnlich Konformität und bestrafen Andersartigkeit. Bei Gruppenentscheidungen äussert sich dies so, dass Gruppenmitglieder einer vorherrschenden Meinung zustimmen, obwohl sie sicher sind, dass sie über wertvolle Informationen verfügen, die diese Meinung relativieren oder gar widerlegen.
So funktionieren Gruppenentscheidungen
Aus diesen Beobachtungen aus der Verhaltenspsychologie kann also abgeleitet werden, dass Entscheidungen in Gruppen nur dann wirklich besser sind als die Entscheidungen Einzelner, wenn jedes Gruppenmitglied alle entscheidungsrelevanten Informationen offenlegt. Ob eine Information wirklich entscheidungsrelevant ist, soll die Gruppe entscheiden, nachdem alle Informationen gesammelt wurden. Es ist ganz ähnlich wie bei einem guten Brainstorming: Zu Beginn geht es um die Quantität der Ideen und Informationen, erst danach um Qualität.
Schafft es ein Team, alle Informationen zu sammeln, vor allem die unangenehmen, dann hat die Gruppe die nötige Voraussetzung für eine gute Entscheidung. Mehr darüber, wie etablierte Unternehmen wirklich innovativ werden, lesen Sie im neuen Buch „Hört auf, Innovationstheater zu spielen!“.